Marin Stümpfig, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, Klima- und Energiepolitischer Sprecher (Fotos: Wolf Kehrstephan)
Auf den allerletzten Drücker
Lange war die Zukunft älterer Photovoltaikanlagen völlig ungewiß. Aber auch die Energiewende generell braucht dringend konsequente Maßnahmen. Wir sprachen darüber mit dem Energie- und Klimapolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, Martin Stümpfig.
Grüne Post: Lieber Martin, bis kurz vor Jahresende war unklar, wie es mit Photovoltaikanlagen, deren Förderung bis Ende 2020 auslief (sogenannte Ü-20-Anlagen), weiter gehen soll. Das nun erzielte Ergebnis ist alles andere als zufriedenstellend. Wie sehen die Vorgaben im Einzelnen aus?
Martin Stümpfig: Auf den allerletzten Drücker wurde nun doch noch ein Ergebnis erzielt, das einigermassen okay ist: Ganz wichtig – Eigenverbrauch ist erlaubt und man kann versuchen, soviel wie möglich selbst zu verbrauchen (Gegenwert rund 30 Cent). Für den dann noch eingespeisten Überschussstrom bekommt man allerdings sehr wenig. Der sogenannte durchschnittliche Jahresmarktwert des Stromes wird als Vergütung abzüglich einer Vermarktungspauschale ausbezahlt. Im Jahr 2020 waren die Strompreise an der Börse sehr niedrig – das waren Rekordtiefststände. Der Jahresmarktwert lag bei rund 3 Cent. Wenn kein intelligentes Messsystem (Smart Meter) verbaut ist - das ist zum Glück jetzt keine Pflicht mehr - werden 0,4 Cent abgezogen. Bei Einbau Smart Meter sind es 0,2 Cent, die abgezogen werden. Somit bekommt der PV Altanlagenbesitzer im Jahr 2021 rund 2,6 Cent für den eingespeisten Strom. Wenn im Jahr 2021 der Strompreis wieder steigt, geht auch der Jahresmarktwert entsprechend hoch.
Grüne Post: Bei einer 3-Kilowatt-Anlage wären das rund 70 bis 80 Euro im ganzen Jahr. Aber selbst mit Nachrüstung eines intelligenten Meßsystems ist es kaum mehr. Wer den eigenen Strom nicht selbst verbraucht – und dafür wiederum erst einmal in Speicher investieren muß – macht mit den Anlagen also eher Verluste, da man ja auch notwendige Reparaturen einplanen muß. Damit werden in den nächsten Jahren zehntausende Anlagen von den Dächern verschwinden. Was hat sich die Bundesregierung dabei gedacht? Wie will sie ihre eigenen Klimaziele so erreichen?
Martin Stümpfig: Ja, ohne Eigenverbrauch kann man da nur sagen: Zuviel zum Sterben, zu wenig zum Leben –
Mit Eigenverbrauch schaut die Rechung aber ganz anders aus: Wenn man es z.B. schafft, die Hälfte des Stromes seiner 3 kWp Anlage selbst zu verbrauchen, hätten diese 1500 kWh bei einem Preis von 30 Cent einen Wert von 675 Euro. Den Zusatz für den eingespeisten Strom mit 39 Euro ist aber ein Witz. Mit dieser Regelung zum Eigenverbrauch sehe ich die Gefahr, dass tausende Anlagen abgebaut werden, nicht mehr. Warum Altmeier so lange gebraucht hat bis das entschieden wurde, verstehe ich nicht. An einer Energiewende in Bürgerhand hat und hatte er nie Interesse und muss gezwungen werden zu besseren Lösungen.
Grüne Post: Auch mit dem Ausbau der Windkraft sieht es nicht besser aus. Markus Söder hat sich im Bund mit seiner 10-H-Regelung durchgesetzt. Auch hier die Frage – warum kippt die Bundesregierung diese starre Regelung nicht?
Martin Stümpfig: Die schwarz – schwarz - rote Bundesregierung hat in den Koalitionsverhandlungen auf Druck der CSU nach der Wahl 2013 eine Öffnungsklausel für eine Abstandsregel beschlossen. Als einzigstes Bundesland hat Bayern dies damals wahrgenommen. Nur Bayern könnte dies wieder kippen. Hier braucht es starken Druck auf die CSU – denn ohne Windkraft wird die Energiewende nicht gelingen. Im Winter haben wir den höchsten Verbrauch und die Solaranlagen haben nur minimalen Ertrag. Wind und Sonne ergänzen sich perfekt. Söder muss seinem Bla Bla zum Klimaschutz endlich Taten folgen lassen.
Martin Stümpfig: Nichts weniger als eine vollständige Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien – in allen Bereichen. Damit dies bis 2030/2035 gelingt, müssen 2021 die Weichen gestellt werden: Ausbauzahlen für Sonne und Wind vervierfachen im Vergleich zum EEG 2021, CO2 Bepreisung stark erhöhen, ein fixes CO2 Budget gemäß neuen Erkenntnissen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change; Weltklimarat) festschreiben im Klimagesetz, alle klimaschädlichen Subventionen – derzeit sind es rund 50 Milliarden Euro pro Jahr! – einstellen, klimaneutraler Gebäudebestand bis 2040 zum Ziel setzen und Gebäude-Energie Gesetz (GEG) nachbessern, Verbrenner ab 2030 verbieten, tierische Produkte verteuern, Biolandwirtschaft auf 50 % der Fläche bis 2030 einführen – um nur einige zu nennen. Die Regierenden haben viele Jahrzehnte den Klimaschutz, die Nachhaltigkeit, den Schutz unserer Natur sträflich vernachlässigt. Das müssen wir jetzt so schnell wie möglich aufholen. Nur mit starken Grünen wird diese Transformation unseres Wirtschaftssystems angepackt werden können. Keine leichten Aufgaben – aber wir müssen jetzt endlich beginnen mit echtem Klimaschutz.
Grüne Post: Vielen Dank für dieses Gespräch!
Das Interview führte Ursula Pfäfflin Nefian